Der Hype ist da: SPAC erobert die Aufmerksamkeit auf dem deutschen Finanzmarkt. Sicherlich haben auch Sie in der letzten Zeit schon die ein oder andere Headline zu dem heißen Börsentrend mit den Lockvogel-Gewinnchancen mitbekommen. Doch was steckt dahinter? Und noch viel wichtiger: Wie sinnvoll oder gefährlich ist das Ganze für Sie als Privatanleger?
SPAC steht für „Special Purpose Acquisition Company“. Dies bezeichnet ein Unternehmenskonstrukt, welches zunächst über einen eigenen Börsengang Geld einsammelt, um dann im nächsten Schritt andere Unternehmen zu übernehmen und diese an der Börse zu platzieren. Ein SPAC ist also eine Mantelfirma, die selbst weder etwas produziert noch eine Dienstleistung anbietet.
So funktioniert das System SPAC
In der Regel wird ein SPAC von einem Sponsor aufgelegt, der selbst als Investor und Manager fungiert. Diese Sponsoren sind über Ihr Netzwerk und/oder ihren Bekanntheitsgrad in der Lage, weitere Investoren anzuziehen. Auf diese Weise soll genügend Kapital für die geplanten Akquisitionen eingesammelt werden. Dieses Geld wandert zunächst auf ein Treuhandkonto und darf nur in „sichere“ Wertpapiere investiert werden – in der Regel in kurz laufende Staatsanleihen. (Wir setzen „sicher“ in Klammern, weil wir von Der Privatinvestor die allgemein vertretene Ansicht, Anleihen seien sicher, für einen Trugschluss halten. Anleihen gehören zu Geldvermögen. Sie unterliegen damit im Gegensatz zu Aktien dem vollen Inflationsrisiko.)
Ist das eingesammelte Kapital erst mal geparkt, versucht der SPAC innerhalb eines definierten Zeitraums (oft 24 Monate), diverse Unternehmenskäufe zu tätigen und diese im Anschluss an die Börse zu bringen. Dabei sind grundsätzliche Akquisitionsparameter wie Unternehmensgrößen oder Branchen meistens in der Gesellschaftssatzung vorformuliert. In manchen Fällen wird das bevorzugte Akquisitionsobjekt auch konkret genannt. Manche SPACs werden von vornherein nur aufgesetzt, um ein ganz bestimmtes Unternehmen aufzukaufen.
Ob es tatsächlich dazu kommt, muss sich zeigen. Die letztliche Entscheidung, ob und welches Unternehmen übernommen wird, treffen die Anteilseigner des SPAC: Stimmt die Mehrheit der Aktionäre zu, wird der Deal umgesetzt. Das aufgekaufte Unternehmen ist danach über den SPAC an der Börse handelbar. Sollten innerhalb des vereinbarten Zeitraums keine Übernahmen realisiert werden, wird der SPAC aufgelöst und die SPAC-Aktionäre erhalten das auf dem Treuhandkonto angelegte Geld zurück.
Das klingt im ersten Moment nach wenig Risiko. Doch diese „Geld-zurück-Garantie“ gilt nur im Falle, dass es zu keiner Akquisition kommt. Sobald ein Übernahme-Deal durch ist, tragen die SPAC-Investoren das volle Risiko. Erweist sich die Übernahme als Flop und wird der SPAC dadurch wertlos, ist es passiert. Der Wertverlust der SPAC-Aktien trifft den Anleger in diesem Fall genauso, wie es bei jedem anderen hochspekulativen Investment auch geschehen kann. Wer also über Investitionen in einen SPAC nachdenkt, sollte einen Totalverlust mit einkalkulieren.
Per Abkürzung an die Börse
Betrachten wir das Thema mal von einer anderen Perspektive. Warum sollte sich ein Unternehmen überhaupt von einem SPAC kaufen lassen? Warum geht das Unternehmen nicht selbst und eigenständig an die Börse? So langsam kommen wir der Sache auf die Spur: Ein klassischer Börsengang ist aufwendig. Es müssen ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehört auch ein vorhandenes operatives Geschäft. Schließlich gilt es, potenzielle Anleger, aber auch Banken und Wirtschaftsprüfer, die den IPO begleiten, von der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells zu überzeugen.
Bei einem SPAC sind die Hürden viel niedriger. Dies ermöglicht es, Unternehmen an die Börse gehen, die noch gar kein operatives Geschäft haben oder aus anderen Gründen die Voraussetzungen für einen regulären IPO nicht erfüllen würden. Vor allem im Start-up-Segment eröffnen sich dabei für Unternehmen verlockende Chancen – und für Anleger schier unkalkulierbare Risiken.
SPAC-Boom aus den USA erreicht Deutschland
Das Konzept SPAC ist nicht neu: Der erste SPAC in Deutschland war „Germany 1“ in 2008. Er sammelte 250 Millionen EUR ein und hat 2009 den Gerätehersteller AEG Power Solutions übernommen, welches 2017 Insolvenz anmeldete und kurz darauf von der Börse verschwand. Insgesamt gab es in Deutschland jedoch bis Ende 2020 insgesamt nur drei SPACs. In den USA wurden bereits in der Vergangenheit viele SPACs aufgelegt, 2020 ist das Thema jedoch regelrecht explodiert: 250 neu aufgelegte SPACs im Wert von über 80 Milliarden USD! Und im laufenden Jahr 2021 sind bereits innerhalb der ersten beiden Monate SPACs über 60 Milliarden USD hinzugekommen.
Die deutschen SPACs ziehen jetzt mit Macht nach. Im Februar ging mit „Lakestar Spac 1“ der erste neue SPAC seit 2010 an die Börse und nahm bei seinem Börsengang 275 Millionen EUR ein. Seitdem häufen sich die Anbahnungen und Neuemissionen deutscher SPACs an den internationalen Börsenplätzen. Insgesamt werden hier Summen von rund 2 Milliarden USD genannt, die aktuell bereits von deutschen SPACs eingesammelt worden sind.
Trotz des Booms sind SPACs umstritten. Gerade für Privatanleger birgt jedes Investment in ein SPAC ein hohes Risiko. Das Wall Street Journal hat SPACs in den USA von Januar 2019 bis Juni 2020 analysiert: Nach den erfolgten Unternehmensübernahmen sank der Wert im Schnitt um 12 %, während der Aktienindex Nasdaq im selben Zeitraum um rund 30 % gestiegen ist. Warum ist das Interesse dennoch so groß?
Für Privatanleger ein gewagtes Spiel mit vielen Unbekannten.
Für junge Unternehmen und Start-ups ist die Sache recht einfach zu erklären: Sie haben durch SPACs die Möglichkeit, per Express an die Börse zu gelangen. Sie sparen sich den oft schwierigen, langwierigen und teuren Weg über die Investmentbanken. Die SPAC-Manager auf der anderen Seite profitieren von hohen Anteilen – meist um die 20 % – an den Akquisitionen, ohne mit eigenem Geld beteiligt sein zu müssen. Funktioniert der SPAC, machen sie Kasse. Werden im Startzeitraum keine geeigneten Übernahmen getätigt, wird der SPAC aufgelöst. Risikoloser geht es wohl kaum.
Und wie sieht es für Sie als Privatanleger aus? Sie werden gelockt mit einer wackeligen „Geld-zurück-Garantie“, die nur greift, sofern der SPAC keine Übernahmen realisieren kann, und die auch dann nur den Ausgabewert abdeckt. (Dieser liegt häufig bei 10 EUR. Ein Großteil der SPACs notiert aber über dem Ausgabewert, wie auch beim Beispiel Lakestar mit 11,15 EUR). Ab Übernahme besteht dann eh volles Risiko bis zum Totalverlust wie beim generellen Aktienhandel – mit dem Unterschied, dass Sie bei den SPACs in „Wundertüten“ investiert haben. Sie wissen bei Kauf von SPAC-Anteilen nicht, welche Unternehmen zukünftig akquiriert werden. Und bei geplanten Akquisitionen handelt es sich meist um Firmen, die zum Zeichnungszeitpunkt lediglich auf dem Reißbrett existieren. Eine aus unserer Sicht absurde Ausgangssituation. Wir setzen weiterhin auf Aktien etablierter Unternehmen mit Börsenerfahrung.
Auf gute Investments!
Ihre Kerstin Franzisi
Chefredakteurin Der Privatinvestor