US-Einzelhandel: Auf den desaströsen April folgte ein schwerer Mai
+ aus der Praxis: Buy and Hold – Dürfen sich Anleger während Covid-19 schlafen legen?
Am Ende der vergangenen Börsenwoche legte die Rallye eine kurze Pause ein. Zuvor war der Volatilitätsindex VIX wieder so hoch wie seit März, dem Corona-Tief an den Märkten, nicht mehr gestiegen. Manche Analysten sehen Parallelen zu den Entwicklungen während der Finanzkrise 2008. Doch Fidelity Investments machte kürzlich auf eine interessante Besonderheit aufmerksam: Während die Kurse in den Jahren 2008 im gleichen Zeitfenster nach dem ersten Tief noch einige weitere Rücksetzer erlebt hatten, bleiben die Märkte davon bislang verschont. Seit dem Tiefstand im März geht es vor allem im S&P 500 steil nach oben.
Die Menschen kaufen kein neues Outfit, um zu Hause zu bleiben
Der US-Einzelhandel erlebt aktuell eine schwere Zeit. Tailored Brands, eine Holdinggesellschaft für Herrenbekleidungsgeschäfte, u.a. Men’s Wearhouse und JoS. A. Bank, erwägt nun, Konkurs anzumelden. Dieser würde es dem Unternehmen ermöglichen, schwächere Standorte zu schließen, während andere Geschäfte weiter betrieben würden. Das Unternehmen begann am 7. Mai mit der Wiedereröffnung seiner Geschäfte und hatte bis zum 5. Juni insgesamt 634 Geschäfte wieder eröffnet. In der Kalenderwoche 23, die am 5. Juni endete, gingen die Umsätze bei Men’s Wearhouse um 65 Prozent, bei JoS. A. Bank um 78 Prozent und bei K&G um 40 Prozent zurück.
Signet Jewelers gab bekannt, dass es bis zum Ende seines Geschäftsjahres mindestens 300 Geschäfte in Nordamerika schließen wird – von denen mindestens 150 Geschäfte überhaupt nicht wiedereröffnet werden, und mindestens weitere 150 Geschäfte wiedereröffnen, aber bis zum Ende des Geschäftsjahres schließen werden. Und das Unternehmen plant, die Umstellung auf den elektronischen Handel zu beschleunigen. Signet Jewelers besitzt rund 3.200 Läden unter sieben Marken: Kay Jewelers, Zales, Jared, H.Samuel, Ernest Jones, Peoples und Piercing Pagoda.
Konkurrent Macy’s teilte in einem Update mit, dass der Nettoumsatz im zweiten Quartal um 45 Prozent eingebrochen sei und einen Betriebsverlust von fast 1 Mrd. USD verursacht habe. Der Umsatz in den wiedereröffneten Geschäften sei etwa halb so hoch wie vor der Pandemie gewesen, so CEO Jeff Gennette bei einer virtuellen Investoren-Konferenz.
In Europa geht es den Offline-Modehändlern nicht besser. Die meisten Bekleidungsgeschäfte sind hier seit rund vier Wochen geöffnet, doch die Umsätze schrumpfen weiter. Im April brach der Verkauf von Kleidung und Accessoires in Großbritannien um 50 Prozent und in Frankreich um 67 Prozent ein, in Spanien gar um 80 Prozent.
Doch selbst im Mai, als viele Modegeschäfte in den meisten spanischen Städten wiedereröffnet wurden, sanken die Einnahmen branchenweit um 72 Prozent im Jahresvergleich. Und trotz des boomenden Online-Handels sanken die Einnahmen bis heute um 45 Prozent.
Personal-Karussell im Tech-Sektor
Mark Zuckerberg holt mit Chris Cox einen seiner engsten Vertrauten zurück ins Management von Facebook. Cox wird nach einer rund einjährigen Pause erneut Produktchef und damit verantwortlich für Instagram, WhatsApp und den Facebook Messenger.
Für US-amerikanische Nutzer hat Facebook nun einen eigenen Nachrichtendienst gelauncht. Neben der nationalen Berichterstattung können User über Facebook News auch ihre lokale Nachrichten abrufen. Dabei setzt die Software auf eine Mischung aus relevanten journalistischen Inhalten und personalisiertem Content.
Content spielt auch für die großen Handelsplattformen eine stetig wachsende Rolle. Alibaba will nun bei AliExpress Influencer von TikTok und Instagram in den Vordergrund schieben. Sie sollen die Produkte via Live Shopping an ihre Follower verkaufen. Insgesamt plant AliExpress international 100.000 solcher Promoter anzuwerben, die Händlern helfen, auf YouTube, Facebook, Instagram und TikTok mehr Reichweite zu gewinnen.
Mit Jim Keller verlässt der bisherige Chip-Chefentwickler den Branchenprimus Intel. Im April 2018 war Keller als Senior Vice President von Tesla gekommen, wo er seit 2016 die Hardware-Entwicklung des Autopiloten verantwortet hatte. In den kommenden sechs Monaten wird er Intel noch als Berater zur Seite stehen.
Viel Spannung bietet uns die kommende Berichtsphase
Wie viel Corona ist heute schon in den Kursen eingepreist? Kommt der große Einbruch erst noch? Dies sind die Fragen, die sich in den nächsten Tagen aufdrängen werden. Zudem ist die Frage spannend, ob die zuletzt unter Druck geratenen Value-Titel zurückkommen werden. Tech und Growth waren in der heißen Covid-19-Phase besonders angesagt. In den vergangenen Tagen legten aber auch so manche Zykliker wieder zu. Der Aufschwung stand auf einer breiteren Basis. Kann also die Growth-Value-Schere in den kommenden Wochen wieder etwas geschlossen werden?
André Kostolany ist heute noch ein guter Ratgeber
Aktien kaufen und sich dann schlafen legen? Ja, aber… In den vergangenen Wochen haben sich vor allem solche Unternehmen gut erholt, die stabile Cashflows generieren können und keine großen Liquiditätsengpässe erlitten haben. Kommen die nächsten Einstiegschancen, sind Privatanleger mit Sicherheit gut beraten, wenn sie nicht blind kaufen, sondern weiterhin auf diese starken Unternehmen mit außerordentlicher Marktmacht setzen. In den vergangenen Tagen und Wochen habe ich es an dieser Stelle immer wieder betont: Gerade der aktuelle Boom des S&P 500 wird nur von wenigen großen Aktien getrieben.
Buy and Hold führt auch 2020 zum Börsenerfolg. Aber eben nur, wenn wir auf die richtigen Pferde setzen. Nicht die Turnaround-Kandidaten sind es, die langfristig hohe Renditen bringen, sondern solche Unternehmen, die, auch dank eines kompetenten Managements mit Eigentümer-Mentalität, ein langfristig profitables Geschäftsmodell mit einer Wachstums-Story, starker Position am Markt und einer soliden Buchführung verbinden.
Haben wir ökonomisch das Tal der Tränen hinter uns?
Eines scheint mir sicher: Kein politischer Entscheider der Welt wird sich dazu durchringen, einen zweiten großen, überregionalen Lockdown zu forcieren. Ganz gleich, wie hoch die Ansteckungsraten in Zukunft sein werden: Die Politik wird alles versuchen, die Stagnationsphase von März und April nicht zu wiederholen. Ökonomisch kann und will niemand dieses Risiko tragen.
Die Aussichten auf eine medizinische Lösung verbessern sich derweil von Tag zu Tag. In der vergangenen Woche hatte ich Ihnen bereits von AstraZeneca berichtet. Die Regierungen von Italien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden haben nun einen Vertrag mit dem Pharmaunternehmen über die Lieferung von 400 Mio. Dosen eines sich noch in der Entwicklung befindlichen Impfstoffs geschlossen. Laut Management sollen die ersten Lieferungen bereits Ende des Jahres erfolgen können.
Und auch die Akutbehandlung macht Fortschritte. Remdesivir gilt derzeit als größter pharmazeutischer Hoffnungsträger. Gilead Sciences hat bereits die Zulassung in den USA erhalten. In der EU läuft das Verfahren noch.
Keine Kosten. Kein Risiko. Keine Abofalle.
Auf gute Investments!
Prof. Dr. Max Otte