Der Gigant der Reisebranche

Jede Krise bietet auch Chancen. Für die weiterhin schwer gebeutelte Tourismusbranche mag dies vielleicht noch nach purem Optimismus klingeln und dennoch oder gerade deshalb: Aus Anlegersicht ist speziell in diesem extrem angeschlagenen Segment interessant, welche Unternehmen die besten Perspektiven haben, auch von der sich veränderten Marktstruktur (zunehmende Digitalisierung) zu profitieren.

Ein Player der internationalen Tourismusbranche dürfte weitgehend unbeschadet aus der Krise hervorgehen – und in Zukunft dafür umso stärker auftrumpfen, wenn sich das Reiseaufkommen wieder verstärkt: Booking. So langsam scheint es bereits wieder aufwärtszugehen. Die weltweiten Impfkampagnen schreiten voran. Es wird vielerorts gelockert. Erste Länder haben für den Tourismus wieder geöffnet. Nach einem Jahr Entbehrung sind die Menschen hungrig nach Urlaub und Erholung. Überall dort, wo Touristen wieder willkommen sind, sind die Hotels schon gut ausgebucht. Dies zeigt: Wir Menschen haben ein kurzes Gedächtnis. Wir sind bestrebt Krisen schnell zu vergessen und schnell wieder schnell zum Alltag zurückzukehren.

Und noch etwas ist uns aufgefallen: Die Preise für Urlaubsreisen haben im Vergleich zu der Zeit vor Corona spürbar angezogen. Booking profitiert auch davon. Insgesamt hat das größte Online-Reise-Portal der Welt für die Zukunft gute Karten. Das schlanke Geschäftsmodell ließ Booking besser durch die Krise kommen als klassische Reisebüros. Zudem passt das Geschäft perfekt in die „neue digitale Welt“. Dies hat auch der Markt längst erkannt.

Die Marke ist allgegenwärtig – und in vielen Branchenbereichen aktiv

Mal Hand aufs Herz: Worüber haben Sie Ihre kommende oder letzte Reise gebucht? Wir sind überzeugt, viele von Ihnen werden dieselbe Antwort geben: booking.com. Wenn es um Online-Buchung von Reisen geht, hat sich dieses Portal mittlerweile in unseren Köpfen festgesetzt. Und nicht nur in Europa, auch in Asien ist Booking groß im Geschäft. Die meisten machen sich gar nicht mehr die Mühe, andere Seiten aufzusuchen und Angebote zu vergleichen.

Das clevere an der Geschäftsstrategie ist zudem, dass der Konzern mit vielen weiteren Buchungsportalen seine Fühler praktisch wie ein „Kraken“ in der gesamten Branche ausstreckt. Egal also, ob es um die Tischreservierung in einem Restaurant geht (opentable.de), die Buchung eines Mietwagens (rentalscars), eines Flugs (momondo) oder von verschiedensten Freizeitaktivitäten vor Ort – wenn Sie online buchen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Booking mitverdient. Das Unternehmen erhält mit jeder Vermittlung eine kleine Kommission als Vergütung vom jeweiligen Hotel, der Airline, dem Autovermieter etc.

Wachstum und Kundenbindung durch voranschreitende Vernetzung

Das Geschäftsmodell von Booking ist so gut, weil es für alle Beteiligten einen Vorteil bringt. Viele kleinere Hotels etc. nutzen über Online-Buchungsportale überhaupt erst die Chance, von potenziellen Gästen „gefunden“ zu werden. Die große Auswahl wiederum ist ein Vorteil, von dem Endkunden, die eine Reise planen, profitieren können. Nach der Corona-Krise werden die Einnahmen von Booking weiterwachsen. Investitionen in die Datenanalyse und Vernetzung der unterschiedlichen Portale wird die Kundenbindung erhöhen.

So vernetzt der Konzern nahezu sämtliche Dienstleistungen (Flug, Hotel, Mietauto etc.), die der Kunde bei seiner Reise über das Unternehmen bucht, immer engmaschiger. Für den Kunden reduziert dies den Aufwand erheblich, je mehr Reisestationen und Details er über Booking bucht. Wenn sich beispielsweise der Flug verspätet, sollen neue Apps den Kunden nicht nur darüber informieren, sondern diese Information auch an die Autovermietung und das Hotel weitergeben. Der Kunde wird dazu gebracht, immer öfter und irgendwann ausschließlich auf die Angebote von Booking zurückzugreifen.

Skaleneffekte wie der Größenvorteil sind dabei ein kontinuierlicher Hebel des Geschäftsmodells: Je größer das Angebot, desto mehr Kunden, desto bessere Preiskonditionen. Je mehr Kunden sich auf den Portalen wiederum tummeln, desto unabdingbarer wird es für Hotels etc., auf den Booking-Portalen vertreten zu sein. Sicher werden auch andere Portalbetreiber versuchen nachzuziehen – sie sind aber nicht so breit positioniert und müssen gegen einen starken Platzhirsch antreten.

Politischer Gegenwind – für Booking nur eine Brise

Neben allen Positivaussichten gibt es auch politischen Gegenwind für die „Internetkrake“ der Reisebranche. In Deutschland entschied der Bundesgerichtshof, dass die Bestpreis-Klausel, die Booking bislang von seinen Hotel-Partnern abverlangte, nicht zulässig ist. Diese Bestpreis-Klausel schrieb den Hotels vor, dass sie auf ihrer eigenen Internetseite die Preise von booking.com nicht unterbieten durften. Dies wird nun möglich. Der ein oder andere preissensible Kunde wird dies nutzen. Zu einem großen Kundenverlust bei Booking wird dies unserer Überzeugung nach aber dennoch nicht führen. Die Zusammenarbeit der Hotels mit Booking bleibt essenziell. Die meisten Neukunden werden über diese Plattform gewonnen. Und wir Verbraucher? Wir sind meistens bequem. Die meisten werden, nachdem Sie ihr Wunschhotel bei booking.com gefunden haben auch dort buchen und sich gar nicht die Mühe machen, nach der hoteleigenen Buchungsseite zu suchen.

In anderen Ländern wie Italien und Österreich ist eine solche Klausel schon länger verboten. Wir haben für Reisen nach Italien deshalb die Preise von Hotels auf booking.com und hoteleigenen Seiten verglichen. Das Ergebnis bestätigt uns. Wenn, dann sind die Preisabweichungen nur minimal. In den meisten Fällen, in denen die Hotels auf ihrer eigenen Seite günstigere Preise anboten, waren dafür aber die Stornierungskonditionen schlechter als bei Booking. Reisende, die sich möglichst flexibel halten wollen, werden in diesem Fall das Angebot von Booking bevorzugen, selbst wenn sie dafür ein paar Euros oder Dollars mehr bezahlen müssen.

Des Weiteren läuft in Italien gerade gegen Booking eine Untersuchung wegen Steuerhinterziehung. Das Verfahren in Italien wegen möglicher Steuerhinterziehung geht womöglich zu Ungunsten des Konzerns aus. Es soll dabei um nicht gezahlte Mehrwertsteuer in Höhe von 150 Mio. EUR gehen. Diesen Betrag kann Booking selbst bei dem jetzigen Umsatz von 5,6 Mrd. USD verkraften, wenn es zur Nachzahlung kommen sollte. Eines verdeutlicht dieser Vorfall, nämlich wie gewieft große Onlinekonzerne sind, wenn es um mögliche Steuerschlupflöcher geht. Sie tun nichts Illegales, loten aber auch Grauzonen zu ihrem Vorteil aus – eventuelle Nachzahlungen sind mit Sicherheit von vorneherein Teil ihres Kalküls.

Last but not least geriet der Konzern vor zwei Wochen in die Kritik, weil er während der Covid-Pandemie vom niederländischen Staat (dort hat der Konzern seinen Hauptsitz) 65 Mio. EUR Corona-Hilfen für Lohnfortzahlungen erhielt und die Führungsetage dennoch – trotz des hohen operativen Verlusts – Boni im Gesamtwert von 28 Mio. EUR einstrich. Was die Kritik hinsichtlich der erhaltenen Corona-Hilfen betrifft, hat Booking schnell reagiert und diese vollständig zurückgezahlt. Damit sollte bald Gras über die Sache wachsen und auch hier sehen wir im Moment nicht, dass dies das Verbraucherverhalten stark beeinflussen würde.

Booking ist eine Cash-Maschine par excellence

Booking verdient unter normalen Bedingungen immens viel Geld. Sowohl die EBIT-Marge als auch die Free Cashflowmarge erreichen branchenweite Spitzenwerte. So erzielt der Konzern eine Free Cashflowmarge adjustiert von über 30 %. Das ist hervorragend und dieser Wert ist noch über die letzten acht Jahre sehr stabil. Der Geschäftseinbruch im letzten Jahr allerdings war für den Online-Reiseanbieter verheerend. Der Umsatz hat sich mehr als halbiert, der operative Cashflow sackte auf ein noch nie dagewesenes Tief. Wo ein Jahr zuvor knapp 4,9 Mrd. USD standen, wies Booking diesmal nur klägliche 85 Mio. USD aus. Das Geschäftsjahr 2020 schloss mit einem operativen Verlust (EBIT) in Höhe von 631 Mio. USD. Die Zahlen für das erste Quartal 2021 waren nicht besser.

Obwohl Booking in diesem Jahr bei Umsatz und Nettoergebnis mit Sicherheit noch nicht das Vorkrisenniveau schaffen wird, ist der Aktienkurs schon weit vorausgeeilt. Bereits seit Jahresbeginn notiert das Unternehmen zu neuen Höchstständen. Die Anleger an der Börse trauen dem Tourismus-Giganten offenbar ebenfalls an eine schnelle Steigerung zu alter Stärke zu. Oder sie sehen genau wie wir das immense langfristige Potenzial des Unternehmens und wollen die Gelegenheit nicht verpassen, ihrem Portfolio diesen massiv abgestraften Kandidaten der Touristikbranche beizumischen. In jedem Fall ist Booking ein mehr als interessantes Unternehmen, dass wir empfehlen im Blick zu behalten.

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