Amazon nutzt schwache Börsenphase
Einer der großen Profiteure der Pandemie, Amazon, hat seit Beginn des Jahres rund ein Viertel seines Wertes eingebüßt. Doch das scheint den Tatendrang des Managements nicht zu bremsen. In den zurückliegenden Wochen ist die Amazon-Unternehmensführung durch einige teils erstaunliche Aktivitäten aufgefallen.
Während der diversen Corona-Lock-Downs, als der stationäre Einzelhandel erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen musste und vielerorts ums Überleben kämpfte, wichen zahlreiche Verbraucher auf Online-Versandhäuser aus. Bei eBay, Amazon und Co. brummte das Geschäft. Auch für die Zeit nach der Pandemie prophezeiten viele Marktexperten den Internet-Händlern nur geringe Umsatzrückgänge, weil eine große Anzahl örtlicher Ladengeschäfte die Krise nicht überstanden hatten.
Dennoch haben der Krieg in der Ukraine, die stark gestiegene Inflation und vor allem die Behinderung bzw. Unterbrechung von Lieferketten unter anderem wegen restriktiven Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung zu Einbußen bei Amazon insbesondere beim operativen Ergebnis geführt.
Quartalszahlen mit Spannung erwartet
Im 1. Quartal 2022, das am 31.03. endete, stieg der Nettoumsatz von Amazon um 7 % auf 116,4 Mrd. USD – verglichen mit 108,5 Mrd. USD im 1. Quartal 2021. Unter Ausschluss der ungünstigen Auswirkungen von Wechselkursänderungen in Höhe von 1,8 Mrd. USD während des 1. Quartals 2022 stieg der Nettoumsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal 2021 um 9 %.
Das Betriebsergebnis ging im 1. Quartal 2022 auf 3,7 Mrd. USD zurück – verglichen mit 8,9 Mrd. USD im 1. Quartal 2021. Laut Amazon sollen die Zahlen für das 2. Quartal 2022 am 29.07. bekannt gegeben werden. Viele Investoren erwarten diese mit großer Spannung. Bis in das Jahr 2021 ging es für den Konzern im Hinblick auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung immer nur in eine Richtung, nämlich nach oben.
Trotz schwacher Börsen: Amazon bleibt am Ball
In den vergangenen Wochen hat Amazon manch einen Anleger verblüfft. Denn trotz oder gerade wegen der schwierigen Situation in der Weltpolitik und an den Finanzmärkten investiert der Konzern in zukünftiges Wachstum. Und das sogar in Branchen, die bislang nicht zum Kerngeschäft von Amazon gehört haben.
Abstecher in die Medizinforschung
Wie gerade erst bekannt wurde, forscht Amazon an einem Krebs-Impfstoff. Das Krebsimpfstoff-Projekt ist ein Indiz für das wachsende Interesse des Konzerns am Gesundheitssektor. Medienberichten zufolge soll eine erste klinische Testphase bereits begonnen haben. Demnach soll Amazon zusammen mit dem Fred Hutchison Krebszentrum in Seattle bereits seit drei Jahren in einem „geheimen“ Amazon-Labor namens Grand Challenge („große Herausforderung“) riesige Datenmengen analysieren, um ein Mittel gegen Krebs zu finden.
Wenn das Team rund um Amazon Erfolg hat, könnte durch den neuen Impfstoff den Patienten eine individuellere, präzisere Krebsbehandlung zu einem erschwinglicheren Preis bieten. Amazon engagiert sich in letzter Zeit verstärkt im Gesundheitssektor. Der größte Online-Händler der Welt hat eine Online-Apotheke („Amazon Pharmacy“) auf den Weg gebracht, ebenso wie ein Hausarzt-Business, ein eigenes Diagnostik-Labor und einen Fitnesstracker namens Halo.
Aber auch sonst gibt Amazon weiter Gas
Die jüngste Übernahme-Aktivität von Amazon betrifft den US-Lieferdienst Grubhub.Damit macht Tech-Riese nun gemeinsame Sache mit Just Eat Takeaway, dem niederländischen Lebensmittellieferanten, der in Deutschland vor allem durch den Dienst Lieferando bekannt ist. Just Takeaway gehört auch Grubhub. Wie Just Eat Takeaway bekannt gab, wird Amazon zunächst einen Anteil von 2 % erwerben.
Der Zeitpunkt scheint clever gewählt, denn während zahlreiche Essenslieferanten während der Corona-Krise regelrecht boomten, kamen etliche Dienste, darunter auch Grubhub, mit Abflachen der Pandemie ins Straucheln. Amazon besitzt im Rahmen der Vereinbarung die Möglichkeit, den Anteil später weiter aufzustocken. Bereits jetzt wurde erklärt, dass die Beteiligung auf bis zu 15 % ausgeweitet werden kann, sollte Amazon Grubhub genügend Neukunden bringen.
Dies dürfte für aber Amazon aber kein Problem sein. Amazon-Prime-Kunden können in den USA für ein Jahr kostenlos eine Grubhub-Mitgliedschaft eingehen und zahlen keine Liefergebühren für ihre Mahlzeiten, wenn die Bestellung den Wert von 12 USD übersteigt. Grubhub-Chef Adam DeWitt zeigte sich zuversichtlich: Der Deal werde das Geschäft anschieben. Der Ausflug in die Medizinforschung und die jüngsten Akquisitionen zeigen, dass Amazon auch in schwierigen Zeiten das Ziel weiteren Wachstums nicht aus den Augen verliert. Wenn es, wie von den meisten Analysten prognostiziert, zumindest in den USA nicht zu einer Rezession kommt, wird sich dies Strategie auch auszahlen.
Auf gute Investments,
Kerstin Franzisi
Chefredakteurin Der Privatinvestor
Interessanter Hintergrundbericht