SoftBank. Facebook. Alibaba. Jio Platforms. Reliance Industries. Amazon. Walmart.
Das neue Öl: Super Apps mischen den asiatischen Markt auf
+ aus der Praxis: 4 Grundregeln, die helfen, auch 2020 langfristig souverän zu investieren
Auch so manches Konjunkturdatum entwickelte sich besser als von vielen erahnt. Der deutsche Einkaufsmanagerindex kletterte um 2 auf 53 Punkte – der höchste Stand seit 2018. Der ifo-Geschäftsklima-Index stieg von 90,4 auf 92,6 Punkte und der ZEW-Konjunkturindex von 59,3 auf 71,5 Punkte.
Nicht wenige Investoren rechnen in diesen Tagen mit unablässig sprudelnder staatlicher Unterstützung. Die Fed hat inzwischen so ziemlich alle Register gezogen, um der US-Wirtschaft zu helfen. Anleihen im Wert von 80 Mrd. USD pro Woche wurden bereits gekauft, um die Zinsen niedrig zu halten. Die Fed kündigte an, dass sie die Zinsen auch dann niedrig halten wird, falls der Preisanstieg wieder anziehen sollte.
Niedrigere Kreditkosten sollten es den Unternehmen leichter machen, sich zu refinanzieren, wodurch Ausfälle weniger wahrscheinlich werden. Da sicherere Anlagen so wenig Ertrag abwerfen, haben die Anleger möglicherweise das Gefühl, dass sie kaum eine andere Wahl haben, als Aktien zu kaufen.
Auch Trading Apps à la Robinhood gaben den Aktien in den vergangenen Monaten Rückenwind. Noch nie war es einfacher, Aktien zu kaufen. Eine frische, junge Generation von Anlegern schaffte es per Smartphone auf den Aktienmarkt. Inmitten der weit verbreiteten Lockdowns zu Beginn dieses Jahres hatten viele Menschen wahrscheinlich kaum andere Gelegenheiten, ihr Geld zu verkonsumieren. Die klassischen Wettbüros waren mangels sportlicher Events geschlossen. Viele hatten dank der staatlichen Stimulierung auch zusätzliches Geld in der Tasche.
Die Frage bleibt, ob der Aktienmarkt und die High Flyer der Tech-Branche, die ihn tragen, weiterhin der Schwerkraft trotzen werden. Wenn der US-Arbeitsmarkt und die Wirtschaft nicht in Schwung kommen, kann es eng werden.
Noch rockt die Stimuli-Party…
Die viel beachtete Zahl der Anträge auf US-Arbeitslosenunterstützung stieg zuletzt um 2,2 Millionen auf 29,2 Millionen – der größte Anstieg seit dem 1. August. Am gestrigen Montag, den 7. September begann das kalifornische Ministerium für Beschäftigungsentwicklung mit der Auszahlung von 900 USD an 3,1 Mio. anspruchsberechtigte Antragsteller auf Arbeitslosenversicherung. Diese Pauschalzahlung besteht aus drei wöchentlichen Zahlungen in Höhe von 300 USD im Rahmen des bundesstaatlichen Lost Wages Assistance Program, das durch die Executive Order von Präsident Trump genehmigt wurde und auf den Katastrophenhilfsfonds der FEMA zurückgreift. Sie erfolgt zusätzlich zur regulären Arbeitslosenversicherung auf bundesstaatlicher Ebene und ersetzt die 600 USD pro Woche, die Ende Juli mit dem CARES Act ausgelaufen waren.
Kalifornien steht nicht allein da. Die Zusatzzahlungen werden Schritt für Schritt in den gesamten USA eingeführt. Jedoch ist keinerlei Finanzierung in Sicht, sobald die anfänglich genehmigten 44 Mrd. USD aus dem FEMA-Fonds aufgebraucht sind.
Wie nachhaltig ist die Erholung?
In Europa warnt die Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) nun vor einer „verlängerten Risikolaufzeit für institutionelle und private Anleger“ sowie „möglicherweise erheblichen Marktkorrekturen“. „Besonders besorgniserregend“ seien die Nachhaltigkeit der jüngsten Markterholung und die möglichen Auswirkungen eines weiteren breiten Marktausverkaufs, so die ESMA in ihrem Bericht über Trends, Risiken und Schwachstellen im Jahr 2020.
Abgesehen von den unmittelbaren Risiken, die von einer zweiten Corona-Welle ausgingen, könnten auch andere externe Ereignisse wie der Brexit oder Handelsspannungen zwischen den USA und China die aktuell fragilen Marktbedingungen in naher Zukunft weiter destabilisieren.
Langfristig gesehen dürfte die Krise die Wirtschaftstätigkeit dauerhaft beeinträchtigen – „aufgrund dauerhafter Arbeitslosigkeit oder struktureller Veränderungen, die sich auf die künftigen Erträge auswirken könnten“. Der Anstieg der Verschuldung des privaten und öffentlichen Sektors könnte auch zu Solvenzproblemen führen.
Derivate-Problemberg bei SoftBank
Am gestrigen Montag verlor die Aktie des japanischen Telekommunikationskonzerns deutlich mehr als 7 Prozent. Einige Stunden zuvor hatte die Financial Times von massiven Wetten des Konzerns auf US-Tech-Werte berichtet. Bei der nächsten Korrektur drohen hohe Verluste. Insgesamt sollen Kaufoptionen im Wert von rund 30 Mrd. USD im Raum stehen. SoftBank selbst hat zuletzt Investitionen in Höhe von 4 Mrd. USD in die Aktien von Amazon, Microsoft, Netflix und Tesla offengelegt.
Bereits in dessen Gründungsjahr 1999 steckte SoftBank 25 Mio. USD in den B2B-Marktplatz Alibaba von Jack Ma. Der Börsengang von Alibaba folgte 2014 und ließ 25 Mrd. USD in die Unternehmenskassen fließen. Zum Vergleich: Facebooks IPO im Jahr 2012 generierte „nur“ 16 Mrd. USD.
Das bis dato wichtigste Alibaba-Produkt ist womöglich die App Tmall. Für westliche Augen eine schnöde Shopping App. Doch langfristig soll sie mehr werden als nur ein Marktplatz für die Hosentasche. Sogenannte „Super Apps“, die Chats, Video-Streaming, Shopping und Bezahlsysteme vereinen, sind in Asien der große Renner.
Das Rennen in Indien
Reliance Jio, von dem ich Ihnen an dieser Stelle bereits vergangene Woche berichtet habe, kooperiert aktuell mit Facebook, um zeitnah die Jio Super App auf den indischen Markt zu bringen. Diese soll das enorme Netzwerk von 10.901 Retail-Filialen ergänzen und den großen internationalen Wettbewerbern Amazon und Walmart Paroli bieten.
Mukesh Ambani, Vorstandsvorsitzender von Jio, kennen Sie sicherlich bereits dank seines Ausspruchs „Daten sind das neue Öl“. Im Jahr 2007 erweiterte er sein Petrochemie-Konglomerat Reliance Industries um den Mobilfunkanbieter Jio Infocomm. Seitdem wurde das Portfolio um Streaming, E-Commerce, Virtual Reality und diverse Unterhaltungsmedien ergänzt. Die in Kooperation Facebook entwickelte App soll alsbald den Schlussstein bilden, der das Gesamtgefüge zusammenhält und in bare Münze wandelt.
Das Internet wird in Indien massentauglich. Im Jahr 2016, bevor die Dienste von Jio eingeführt wurden, kostete ein einziges Gigabyte an mobilen Daten im Durchschnitt umgerechnet rund 2,60 EUR. Im Jahr 2019 lagen die durchschnittlichen Kosten für ein Gigabyte bei etwa 0,20 EUR. Die Ankunft von Jio auf dem indischen Markt zwang andere Telekommunikationsanbieter in einen Preiskampf, wodurch Kosten und Preise auf breiter Front sanken. Diese Preisaggressivität, zusätzlich zur gut ausgebauten und günstigen 4G-Infrastruktur, machte Jio zur Nummer eins unter den Mobilfunkbetreibern des Landes.
Nicht nur Facebook blickt mittlerweile konzentrierter nach Asien. Im dortigen Streaming-Sektor halten Netflix und Amazon Prime Video jeweils rund 20 Prozent Marktanteil. Mike Hopkins, Senior Vice President von Prime Video und Amazon Studios, nannte Indien kürzlich einen „Prioritätsmarkt“, auf dem die Plattform über ein Dutzend eigener Originale veröffentlichen wird.
Netflix hat bisher aufgrund seiner hohen Preise nur wohlhabende Nutzer in Indien angezogen, versucht nun jedoch Wege zu finden, auch die Massen zu umwerben. Anfang September begann Netflix, indischen Android-Benutzern freien Zugang zu einigen seiner beliebtesten Titel wie Stranger Things, Bird Box, Love Is Blind und Grace and Frankie ohne Abonnement anzubieten. Ein Marketing-Versuch. Darüber hinaus begann der in Kalifornien ansässige Streaming-Gigant mit dem Testen eines „Mobile+“-Plans, mit dem Benutzer in High-Definition über Handys, Tablets und Computerbildschirme streamen können, und der für umgerechnet 4 EUR pro Monat angeboten wird. Und Disneys Streaming-Dienst Hotstar hat zwischen April und Juni 625.000 neue Abonnenten in Indien gewonnen.
Lassen Sie sich nicht abschrecken
Warnungen von Behörden, Pessimismus der Analysten, übermächtige Player und drohende Monopolbildung… Die Welt steht auch 2020 vor Herausforderungen. Doch war es jemals anders?
Mit einem breit diversifizierten Aktienportfolio ist es Ihnen langfristig möglich, erfolgreich zu investieren. Einige wenige Regeln sollten Sie aber stets beachten:
- Bleiben Sie realistisch: Die jährliche Realrendite von Aktien inklusive der reinvestierten Dividenden beträgt ca. 6,5 Prozent. Das bedeutet eine Verdopplung Ihres Vermögens alle zwölf Jahre.
- Investieren Sie langfristig: Bei Anlagezeiträumen von mindestens 20 Jahren sollten Sie den überwiegenden Teil Ihres Vermögens in Aktien investieren – auch um es vor Inflation zu schützen., Anleihen haben ein wesentlich höheres Inflationsrisiko als Aktien.
- Investieren Sie international: In Zukunft wird es keine Rolle mehr spielen, wo ein Unternehmen seinen Firmensitz hat. Entscheidend wird sein, welche Produkte es wo und an wen verkauft.
- Investieren Sie strategisch: Lassen Sie sich nicht von Ihren Emotionen leiten. Verfolgen Sie stattdessen diszipliniert eine einmal festgelegte Strategie.
Mit unserem Börsenbrief Der Privatinvestor helfen wir Ihnen hier gerne weiter.
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Auf gute Investments!
Prof. Dr. Max Otte
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