EU-Regulierung der Tech-Giganten

Technologie-Konzerne – vor allem aus den USA – haben in den letzten Jahren gigantische Wachstumsraten hingelegt. Dies hat einen Grund: die Digitalisierung schreitet nicht erst seit der Pandemie mit Siebenmeilenstiefeln voran. Mit der Folge, dass Tech-Unternehmen immer mächtiger werden. Ihr Einfluss auf unseren Alltag und unsere gesellschaftlichen Strukturen ist mittlerweile derart groß, dass dies nun die Politik auf den Plan ruft. Die Stoßrichtung ist dabei international dieselbe: der Marktmacht von Big Tech soll Einhalt geboten werden.

Lange hatte die EU zugelassen, dass sich Amazon & Co. nahezu unreguliert ausbreiten. Damit soll nun Schluss sein. Ende 2021 verabschiedete die EU-Kommission ein Reformpaket mit neuen Wettbewerbsgesetzen. Im Zentrum stehen dabei der „Digital Markets Act“ (DMA) und der Ende Januar 2022 beschlossene „Digital Services Act“ (DSA). Eine Reihe neuer Wettbewerbsvorgaben richtet sich dabei ganz gezielt an die „Gatekeeper“ (dt. „Torhüter“) der Tech-Branche. Als eben solche werden in der digitalen Welt Unternehmen mit sehr großer Marktmacht und hoher Nutzerreichweite bezeichnet.

Worum geht es beim DMA und DSA?

Der Digital Market Act soll wettbewerbsschädliches Verhalten seitens der Internetriesen einschränken. Der Wettbewerb soll wieder belebt werden. So könnte beispielsweise Apple dazu gezwungen werden, auf seinen iPhones Apps der Konkurrenz zuzulassen. Oder Google und Amazon könnte untersagt werden, ihre eigenen Angebote in ihren Suchergebnissen zu bevorzugen. Noch bleibt dies abzuwarten.

Der Digital Services Act soll die Macht von Big Tech zusätzlich begrenzen, indem er die Nutzerwelt es Internet verändert. Dabei geht es grob zusammengefasst um größere Rechtssicherheit, höhere Transparenz, faireren Wettbewerb und besseren Verbraucherschutz in der Online-Welt.

Was für neue Regeln bringt der DSA?

Ein zentrales Element des DSA sind die neuen Regularien gegen die Verbreitung von rechtswidrigen Waren, Dienstleistungen oder Inhalten im Internet. Plattformbetreiber sollen künftig direkt und ohne richterlichen Beschluss behördliche Anordnungen zur Entfernung von illegalen Inhalten erhalten können und diese unmittelbar umsetzen müssen.

Dabei geht es zum Beispiel um strafbare Hasskommentare, gezielte Desinformation, Aufrufe zur Gewalt, Drogen- und Waffenhandel oder die unautorisierte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke. Bei besonders schweren Verstößen müssen die Anbieter zusätzlich proaktiv die Polizei miteinbeziehen.

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Mehr Transparenz und Schutz der Persönlichkeitsrechte

Ein weiterer Bestandteil des DSA ist die Offenlegung der Empfehlungsalgorithmen seitens der Digitalkonzerne. Damit soll für Verbraucher erkennbar werden, wer welche Inhalte zu sehen bekommt und auf welcher Informationsgrundlage dies geschieht. Sehr große Plattformen sollen zudem alternative Empfehlungssysteme anbieten, die nicht auf der Erstellung von Nutzerprofilen basieren.

Außerdem sollen besonders sensible persönliche Informationen wie Religionszugehörigkeit, Gesundheit und sexuelle oder politische Orientierung ohne ausdrückliche Zustimmung seitens der User überhaupt nicht mehr genutzt werden dürfen, um individuell priorisierte Inhalte oder personalisierte Werbung auszuspielen. Personalisierte Werbung an Minderjährige soll grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Das Recht auf Nicht-Verfolgung

Die Verbraucher sollen durch den DSA die Hoheitsrechte über ihre persönlichen Daten und Informationen zurückerhalten. Das soll nicht nur der Hand der Unternehmen überlassen werden. Das Recht, digitale Dienste und Angebote anonym nutzen zu können (zumindest dort, wo es möglich ist), soll auch technisch wieder zum Nutzer zurückgehen.

Dafür sollen beispielsweise die nervigen Cookie-Abfragen bei nahezu jedem Website-Besuch wegfallen. Die gängige Praxis, die Zustimmung zum Tracking (also der Nachverfolgung der Web-Aktivitäten des einzelnen Users) viel einfacher zu gestalten als die oft komplizierte Verweigerung des Ganzen, soll ein Ende finden. Stattdessen soll eine Standardeinstellung im Internetbrowser oder im Betriebssystem jedem Nutzer ermöglichen, einmal und ganzheitlich festzulegen, ob man getrackt werden möchte oder eben nicht.

Was heißt das alles für die Tech-Giganten konkret?

Ob mit Blick auf den DMA oder den jüngst verabschiedeten DSA – Meta, Alphabet, Apple, Twitter, Amazon und alle sonstigen Online-Giganten müssen sich zukünftig in Europa auf strengere Regeln und Kontrollen einstellen. Die Internetriesen sollen ihren Kunden und Konkurrenten nicht länger die Regeln diktieren können. Bei Verstößen gegen die neuen Wettbewerbsregeln drohen den Konzernen empfindliche Geldstrafen von bis zu 6 % ihres Jahresumsatzes.

Der DSA soll die derzeit geltenden Regeln der E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 ablösen. „Wir holen uns die Kontrolle über die Internetgiganten zurück”, so die dänische Abgeordnete Christel Schaldemose, die den Entwurf im EU-Parlament federführend vorangetrieben hatte. Dabei ist noch unklar, wann der DSA schlussendlich in Kraft treten wird.

Noch bürokratische Wegstrecke bis zum Ziel

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben Ende Januar mit großer Mehrheit für den DSA gestimmt. Details zum verabschiedeten Gesetzesentwurf finden Sie hier auf den Seiten der EU-Kommission.

Als nächster Schritt folgt der Abstimmungsprozess, in dem die drei großen europäischen Institutionen – Parlament, Kommission und Rat – ein finales Gesetz erarbeiten. Dabei können und werden sicherlich noch punktuelle Anpassungen vorgenommen, bis der DSA zur praktischen Anwendung finden wird. Man rechnet damit, dass dies 2023 der Fall sein wird.

Gute Impulse, ja – Trendwende, eher weniger

Wie schon bei den verschiedenen Initiativen zur Wettbewerbsregulierung innerhalb der internationalen Gemeinschaft sehen wir auch im Reformpaket der EU-Kommission und ganz aktuell beim DSA viele gute und sinnvolle Ansätze. Das grundsätzliche Interesse, unsere Online-Welt zu einem besseren Ort zu machen, trifft wohl nirgends auf Widerspruch. Wie und mit welchem Effekt sich das Ganze in der Praxis umsetzen lässt, wird sich wohl erst retrospektiv zeigen. Was für uns allerdings schon jetzt sicher ist: Die weitere Entwicklung und das weitere Wachstum der Tech-Branche und seiner erfolgreichen Unternehmen wird sich fortsetzen.

Die Geschäftsmodelle der Internetgiganten und ihrer Peripherie sind derart stabil und zukunftssicher, dass jegliche Reglementierungsinitiative seitens der Politik einem natürlichen Evolutionsschritt im gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entwicklungsprozess entspricht. Denn letztlich werden die einzelnen Punkte des DSA nur im Dialog zwischen den politischen und gesellschaftlichen Institutionen und Vertretern der branchenführenden Unternehmen selbst zum Leben erweckt werden können. Die Ära der Internetgiganten ist jedenfalls sicher noch lange nicht vorbei. Ganz im Gegenteil.

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