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Die Manager im Silicon Valley sind in eine Winterstarre gefallen und warten darauf, ob und wie sehr die Rezession weltweit um sich greift. Die Massenentlassungen im Tech-Sektor erreichten im November und Dezember 2022 einen Höhepunkt mir insgesamt rund 150.000 gefeuerten Mitarbeitern. Wer noch nicht entlassen hat, hat Einstellungsstopps verhängt. 

Die Entlassungswelle bei den Titanen aus dem US-Technologiesektor hat zahlreiche Ursachen. Hierzu zählt unter anderem eine Reaktion auf das Ende des „Corona-Booms“, der vielen Tech-Konzerne eine Art Sonderkonjunktur beschert hatte. Ebenso haben ökonomische Entwicklungen wie Veränderungen in verschiedenen Gebieten des Tech-Sektors beigetragen. Die Unternehmen bereiten sich nach Jahren des Wachstums auf magere Jahre vor.

Anders als andere Branchen bescherte die Pandemie vielen Big Techs Rekordumsätze. Zuletzt gab es Massenentlassungen in diesem Ausmaß vor mehr als 20 Jahren beim Platzen der Dotcom-Blase.

Allerdings sind Krisen wie wir sie derzeit erleben wichtig, weil sie eine Chance zur Disziplinierung und Selbstreflexion eröffnen.

Einige Belegschaften erwischt es stärker als andere

Erstmals seit der Firmengründung im Jahr 2004 baut der ehemalige Facebook-Konzern Meta Stellen ab. Meta (WKN: A1JWVX) leidet Milliardenverlusten seiner Sparte “Reality Labs”. Hier bündelt das Unternehmen unter anderem die Entwicklung des “Metaversum”. Diese virtuelle Welt wurde noch vor wenigen Monaten von Firmenchef Mark Zuckerberg als besonders zukunftsträchtig bezeichnet. Zudem muss Meta wegbrechenden Werbeeinnahmen begegnen. Unter dem Strich sollen 11.000 Jobs wegfallen, was rund 13 % der Belegschaft entspricht.

Bei Konkurrent Twitter (WKN: A2R370) gab es bereits einige Monate zuvor Entlassungen größeren Stils. Nachdem Elon Musk den Kurznachrichtendienst übernommen hatte, feuerte er ca. 3.700 Beschäftigte. Das entspricht etwa der Hälfte der Belegschaft.

Amazon (WKN: 906866) hat ebenfalls angekündigt mehr als 18.000 Jobs zu streichen. Ein Insider hatte einige Monate zuvor von etwa 10.000 Jobs gesprochen. Insgesamt entspricht die neue Zahl rund sechs % der ca. 300.000 Beschäftigten in der Verwaltung.

Bei Microsoft (WKN: 870747) fällt der Mitarbeiterabbau relativ moderat aus. Laut einiger Medienberichte kürzt der Software-Konzern knapp 1.000 seiner insgesamt 221.000 Stellen. Der Konzern hatte erklärt, dass er seine Geschäftsbereiche konstant auf potentielle Optimierungen abklopfe und demnach strukturelle Anpassungen treffe. Es werde permanent in Bereichen eingespart, in denen unnötige Ressourcen gebunden sind, beispielsweise in der Gaming Sparte. 

Auch bei anderen US-Tech-Giganten wurden oder werden Stellen gestrichen. Zu den bekanntesten gehören Apple (WKN: 865985), HP (WKN: 870747), Alphabet (WKN: A14Y6F), Seagate (WKN: A3CQU7), Micron (WKN: 869020), Coinbase (WKN: A2QP7J) und Cisco (WKN: 878841).

Gründe für die Kündigungen

Während der Covid-Krise wurde bei vielen Unternehmen massiv Humankapital aufgebaut, um der massiv gestiegenen Nachfrage nachkommen zu können. Derzeit stagniert die Nachfrage jedoch je nach Konzern und Bereich. Eine Rezession droht und die Tech-Giganten werden auch von ihren Investoren dazu veranlasst, Einsparungsmaßnahmen infolge des steigenden Margen- und Kostendrucks zu treffen.

Zahlreiche Unternehmen haben während der Pandemie zu viele Mitarbeiter eingestellt und legen nun den Rückwärtsgang ein. Allerdings nutzen nicht wenige Firmen die Situation, um die weniger geeignete Beschäftigte loszuwerden und später dann neue Talente einzustellen. In den USA ist ein solches Vorgehen eine gängige Praxis. Auch in 2023 dürfte der Pro-Kopf-Umsatz in nahezu jedem IT-Unternehmen steigen.

Zudem weist das Wall Street Journal in einem Bericht darauf hin, dass der massive Stellenabbau bei den Tech-Konzernen in den USA im Widerspruch zum Trend auf dem restlichen Arbeitsmarkt steht. Andere Wirtschaftsbereiche sind weniger abhängig von der inzwischen beendeten Niedrigzinspolitik. Daher finde die große Mehrzahl der Entlassenen relativ schnell wieder eine neue Stelle.

Anlass zu Optimismus

Der Rückgang der Inflation auf internationaler Ebene gibt Anlass zu Optimismus auch, was den US-Arbeitsmarkt betrifft. Denn infolge einer geringeren Teuerungsrate kann die US-Notenbank Fed bei den angekündigten Zinsanhebungen weniger stringent vorgehen. Dadurch wird sich auch das erwartete Zinsumfeld für die US-Tech-Konzerne verbessern, was wohl dazu führen könnte die Entlassungswellen abzumildern.    

Hinweis für eine Abschwächung der globalen Inflation sind die grade erst publizierten US-Verbraucherpreisdaten in den USA. Im Dezember stiegen die US-Konsumentenpreise im Jahresvergleich nur noch um 6,5 %, was gegenüber Juni 2022 mit 9,1 % eine deutliche Verbesserung darstellt.

Ende November hätte Alphabet (WKN: A14Y6F) an der Börse NASDAQ beinahe wieder die Marke von 100 USD geknackt, doch seitdem geht es wieder nach unten. Aktuell notiert die Aktie bei knapp 95 USD. Die neue „Hiobsbotschaft“ in den Medien: Jetzt steht auch Alphabet durch einen aktivistischen Investor unter Druck.

Ein neuer Eigentümer mischt sich ein

TCI Fund Management ist bereits seit 2017 in Alphabet investiert. Bisher hielt sich TCI still im Hintergrund. Solange der Tech-Gigant zweistelliges Umsatzwachstum vorwies, gab es für ihn auch keinen Grund, laut zu werden. Doch 6 % Umsatzplus, wie es Alphabet nun im dritten Quartal präsentierte, sind dem aktivistischen Investor zu wenig.

In einem offenen Brief an Alphabet-Chef Sundar Pichai fordert TCI aggressive Maßnahmen, um den Konzern möglichst schnell wieder auf mehr Wachstum und mehr Profitabilität zu trimmen. Seine Hauptforderungen: Ein radikaler Schnitt bei den Personalkosten. Auch Projekte wie Autonomes Fahren von Waymo solle Alphabet auf den Prüfstand stellen.

Alphabet investiert in zukunftsträchtige Innovationen

Es stimmt, Waymo – überhaupt der gesamte Bereich „Other Bets“ – ist bei Alphabet bis heute defizitär. Dank der starken Cashflows durch das Werbegeschäft kann sich der Konzern derartige Zukunftswetten aber leisten. Gerade Waymo hat in den letzten Monaten gute Fortschritte gemacht. Gerade ist Alphabet dabei, seine Robo-Taxis in weiteren US-Großstädten auf die Straße zu bringen. Nach Phoenix und San Francisco ist jetzt Los Angeles an der Reihe, weitere Städte sollen folgen. Das Projekt jetzt einzustampfen, wäre der absolut falsche Zeitpunkt.

Die Forderung nach Personalkostenkürzungen wiederum halten wir für nicht ganz abwegig. Seit 2017 ist die Mitarbeiterzahl um mehr als 20 % pro Jahr gestiegen. Das Mediangehalt soll nach Aussage von TCI zudem um zwei Drittel höher als bei Microsoft sein. Angesichts der gestiegenen Energie- und Hardwarepreise, welche derzeit die Margen drücken, können wir uns vorstellen, dass die Konzernspitze ganz ohne Zutun von TCI über diverse Einsparmaßnahmen nachdenkt – sehr wahrscheinlich auch auf der Personalkostenseite.

Alphabet ist weiterhin attraktiv

Insgesamt halten wir den Einfluss von TCI auf Alphabet medial für überschätzt. Das Aktienpaket des Hedgefonds hat zwar einen aktuellen Gegenwert von rund 6 Mrd. USD, prozentual macht die Beteiligung jedoch weniger als 0,5 % aus. Unsere Investmentthese jedenfalls bleibt durch den neuerlichen Aktivismus von TCI unbeeinflusst.

Alphabet ist und bleibt einer der großen Gewinner der voranschreitenden Digitalisierung. Die Entwicklung im Cloud-Geschäft – die Umsätze wuchsen hier auch im dritten Quartal um 36 % – belegt dies.

Auf gute Investments!

Ihr Kerstin Franzisi | Chefredakteurin Der Privatinvestor