Das „Amazon“ der Arbeitswelt

Die Digitalisierung verändert auch die Arbeitswelt – und das nicht erst seit Corona. Allerdings hat die Pandemie diesen Prozess flächendeckend beschleunigt. Lockdown, Home Office und Social Distancing haben auf nahezu allen Ebenen neue, digitale Arbeits- und Interaktionsformen forciert. Egal ob Videokonferenzen oder Coworking-Plattformen – was in vielen Betrieben zuvor oft noch als langfristiger Transformationsprozess angelegt war, ist mittlerweile geballt auf uns alle zugekommen.

Unser Arbeitsalltag wird vielerorts auf den Kopf gestellt. Für diejenigen, die schon sehr lange berufstätig sind, mag so manches ungewohnt und befremdlich sein. Der Geschmack der jüngeren Generation, die schließlich mit Smartphones, YouTube und TikTok groß wird, wird dafür umso mehr getroffen.

Digitale Freiheit im Arbeitsmarkt

Ganz oben auf der Liste der Veränderungen steht „Flexibilität“ – sowohl bei jungen Arbeitskräften als auch bei den Unternehmen selbst. Arbeiten von wo auch immer, für Auftraggeber, die wo auch immer auf der Welt sitzen. Viele junge Menschen finden genau dies reizvoll. Sie arbeiten deshalb gerne als Freelancer. Der eigene Chef zu sein, bietet schließlich die größten Freiheitsgrade, nicht wahr?

Den Unternehmen kommt dies entgegen. Um sich selbst „flexibel“ zu halten, vergeben Firmen bestimmte temporäre Projekte gerne an Freelancer. Regionale Strukturen brechen auf. Gerade bei IT-Dienstleistungen ist dies gut möglich. Es spielt in der Regel keine Rolle, wo der Programmierer meiner App sitzt, es ist sein Ergebnis, das für mich als Unternehmen zählt.

Dienstleistungsnetzwerk als Geschäftsmodell

Die Interessen von Unternehmen und Freelancern gehen also gut zusammen: Beide wollen und bieten Flexibilität. Sie müssen sich nur gegenseitig finden. Genau das aber ist im großen Dschungel des World Wide Web nicht immer leicht. Gerade junge Freelancer, die noch kein eigenes großes Netzwerk aufbauen konnten, oder kleinere Unternehmen mit begrenzten Budgets stehen dabei vor einer Herausforderung. Genau hier kommt das israelische Unternehmen Fiverr ins Spiel.

Die gleichnamige Plattform bringt Freelancer und Firmen zusammen. Vornehmlich geht es dabei um Aufgaben aus dem Bereich IT-Dienstleistungen, aber auch für andere projektspezifische Tätigkeiten (z.B. Übersetzungen), die nicht mehr nur unbedingt aus der IT-Szene herrühren, ist Fiverr eine Plattform. Als Vermittler, der zwischen Auftraggeber (Unternehmen) und Auftragnehmer (in der Regel Freelancer) geschaltet ist, wickelt Fiverr auch die Zahlungsströme zwischen beiden Parteien ab. Vor Weitergabe an den Freelancer streicht sich Fiverr vom Honorar eine Provision ein.

Mittlerweile können nicht mehr nur einzelne Freelancer über Fiverr gebucht werden – sogar ganze Teams für komplexere Aufgaben sind buchbar. Egal, ob es um den Aufbau einer Webseite oder eines Online-Shops, um die Erstellung und Betreuung von Web-Kampagnen oder die Entwicklung einer Software oder App geht – Unternehmen, die dafür temporär Experten brauchen, können über Fiverr eine Ausschreibung machen und entsprechend fündig werden.

Die Gig Economy: Treiber der neuen Arbeitswelt

Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY aus dem Jahr 2018 zeigt, dass der Markt für kurzfristige Dienstleistungen – sogenannte „Gigs“ – stetig wächst. Der englische Begriff „Gig“ stammt ursprünglich aus der Musikszene. Dort ist ein „Gig“ ein (Kurz)auftritt. Mittlerweile hat sich die Vokabel auf die gesamte Freiberuflerszene ausgeweitet. Inzwischen hat sich der Trend, vor allem IT-Projekte durch externe Dritte erbringen zu lassen, ausgebreitet. Immer mehr Unternehmen schätzen diese Möglichkeit der Flexibilität. Neben schlanken Personalstrukturen gibt es nämlich einen vielleicht noch schlagkräftigeren Grund, um mit Freelancern zu arbeiten: Je nach Projekt können sich Unternehmen auf diese Weise genau die Spezialisten suchen, die sie gerade benötigen.

Die digitale Welt ist mittlerweile derart facettenreich und komplex, dass es für jeden Bereich Experten gibt und auch braucht. Ein Generalist, der eben von allem ein bisschen, aber nichts bis ins letzte Detail beherrscht, könnte den Qualitätsansprüchen der Unternehmen nicht gerecht werden. Auf der anderen Seite wird hochgradig spezifisches Expertenwissen häufig nur temporär benötigt. Auch dies fördert das „Gig“-Denken und die Freiberuflerszene, gerade im IT-Bereich. In den USA gab es 2014 immerhin schon 53 Millionen Menschen, die so als Freelancer ihren Lebensunterhalt verdienten. Sechs Jahre später waren es bereits über 57 Millionen.

Skalierbares Geschäftsmodell mit großer Beschleunigung

Die Kunden von Fiverr sind im Grunde beide Seiten: Unternehmen und Freelancer. Die Firmen, die Projekte ausschreiben sind quasi die „Käufer“. Von ihren gezahlten Honoraren streicht Fiverr eine Provision ein. Die Freelancer auf der anderen Seite sind die „Verkäufer“ ihrer Dienstleistungen. Sie „überlassen“ Fiverr sozusagen einen Teil ihres Honorars, nämlich die vorher abgezogene Provision. Je mehr Projekte über das Portal abgewickelt werden und je zufriedener „Käufer“ und „Verkäufer“ sind, desto mehr Vertreter beider Seiten werden sich auf Fiverr tummeln. Und desto mehr Projekte werden über die Plattform abgewickelt werden.

Für Fiverr bedeutet dies stetig steigende Einnahmen und neue Möglichkeiten, den Service  für seine Kunden zu erweitern. Ähnlich wie bei Amazon können „Käufer“ auch Bewertungen für die „Verkäufer“ abgeben. Gute Bewertungen führen dazu, dass die Freelancer auf der Plattform einen höheren Status erreichen. Dies hilft ihnen, weitere Aufträge an Land zu ziehen. Den Firmen hilft es wiederum, den Richtigen für das Projekt zu finden.

Das Amazon für den Dienstleistungssektor

Fiverr ist einer der klaren Gewinner der zunehmenden Digitalisierung. Die Plattform könnte eine ähnlich erfolgreiche Dymamik annehmen, wie das Geschäftsmodell von Amazon. Fiverr agiert als Plattform und Vermittler – ganz ähnlich wie Amazon auf seinem „Marketplace“. Fiverr selbst kommunizierte als Vision ganz offen, das „Amazon für Arbeitswelt“ werden zu wollen.

An der Börse ist das Unternehmen aus Tel Aviv erst seit Sommer 2019. Das Geschäftsmodell halten wir trotz der noch frühen Phase für interessant: 1. Das Wachstumspotenzial ist groß. 2. Das Geschäftsmodell ist aufgrund der schlanken Kostenstruktur extrem gut skalierbar. Dies hat auch „Mr. Market“ schon erkannt. Die Aktie hat in den letzten zwölf Monaten eine extreme Aufwärtsentwicklung gemacht: Von knapp unter 64 USD stieg Fiverr Mitte Februar dieses Jahres auf über 323 USD. Nach kurzem Dip unter die 200er Marke Anfang März bewegt sich die Aktie derzeit bereits wieder bei über 205 USD.

Gleichzeitig gibt es für das Unternehmen noch Herausforderungen zu meistern. Noch ist der Break Even nicht geschafft. Das hat auch einen Grund: Hohe Ausgaben für Marketing verhindern derzeit noch den bilanziellen Eintritt des Unternehmens in die Gewinnzone. Bei weiter steigender Nachfrage dürfte dies aber nur eine Frage der Zeit sein. Der Cashflow immerhin ist mittlerweile positiv.

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